Christoph Kreitz
Darmstadt, 27. August 1995
Liebe Gemeinde,
``Gemeinde Jesu - Licht in der Stadt'' - unter diesem Motto haben wir vor nunmehr fast zwei Jahren dieses Gemeindezentrum eröffnet. Unsere Gemeinde will für die Menschen dieser Stadt da sein und die Klarheit, Offenheit und Durchsichtigkeit dieses Gebäudes soll dies unterstreichen. Wir sind offen für andere; was wir tun und wofür wir leben, soll für jedermann erkennbar sein; und unsere Botschaft ist klar und unkompliziert: wir wollen die Freiheit verkünden, die nur der Glaube an Jesus Christus mit sich bringt.
In einer Zeit, in welcher der christliche Glaube von vielen Menschen als Einengung betrachtet wird, legen wir auf diese Freiheit ganz besonderen Wert. Denn der Weg zu Gott hat nichts mit Leistung und dem Erfüllen von Geboten zu tun sondern nur mit einem Glauben an Jesus Christus - das alleine reicht. Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, daß er seinen eigenen Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Mit seinem Tod am Kreuz hat Jesus alles auf sich genommen, was uns von Gott trennt. Unser schuldhaftes Versagen wird uns nicht mehr angerechnet, wenn wir hieran glauben, Gott um Vergebung bitten und ein Leben beginnen wollen, in dem die Beziehung zu Gott eine zentrale Rolle spielt. Und diese Beziehung zu Gott gibt unserem Leben einen Sinn und ein Ziel und befreit uns von dem Zwang, in vielen anderen nutzlosen Dingen nach der Erfüllung zu suchen, die unserem Leben bisher gefehlt hat.
Die biblische Botschaft ist also einfach und klar: Jesus macht frei und was zählt, ist einzig und alleine dieser vertrauende Glaube an Jesus Christus. Ob man es nun wirklich immer schafft, die guten und wichtigen Gebote Gottes zu erfüllen, spielt hierbei keine Rolle. Gott nimmt jeden an, der an ihn glaubt und ihm vertraut - jeden!
So einfach diese Botschaft auch ist, so schwer ist es doch für viele Menschen, sie anzunehmen. Woran liegt das? Sicherlich nicht daran, daß die Botschaft nicht zu verstehen ist. Ihre Glaubwürdigkeit ist schon eher das Problem. Stimmt das überhaupt, daß der Glauben an Jesus Christus frei macht? Wenn ja, dann müßte man am Leben von Christen doch irgendetwas in von dieser Freiheit und dem erfüllten Leben erkennen können. Und ebenso, so ist die Erwartung, müßten Christen doch irgendwie auch etwas bessere Menschen sein.
Die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft hängt also sehr von dem Verhalten der Christen ab. Leider aber erkennen Außenstehende nur allzu oft eine Diskrepanz zwischen dem Reden und dem Handeln und dann fällt es ihnen sehr schwer, die Botschaft ernstzunehmen. Deswegen ist es doch nicht so ganz egal, ob wir uns um die Erfüllung der Gebote Gottes bemühen oder nicht - nicht weil es eine Voraussetzung dafür ist, von Gott angenommen zu werden, sondern weil die Echtheit unseres Glaubens fragwürdig ist, wenn jegliches Bemühen in dieser Richtung unerkennbar bleibt.
Die Diskrepanz zwischen dem Reden und dem Handeln ist keineswegs ein neues Problem und deshalb möchte ich in den Mittelpunkt der heutigen Predigt zwei Passagen aus dem Jakobusbrief stellen, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen. Man findet sie in Kapitel 1:19-27 und Kapitel 2:14-20,26. Ich will mit der zweiten Passage beginnen, die das Ganze sehr plastisch ausdrückt.
Hierauf mag vielleicht jemand sagen: ``der eine hat Glauben, der andere hat Werke''. Zeige mir Deinen Glauben ohne Werke und ich werde Dir meinen Glauben zeigen durch das, was ich tue. Du glaubst, daran daß nur ein Gott existiert? Gut! Sogar die Dämonen glauben daran und erschaudern dabei. Willst Du gedankenloser Mensch denn endlich begreifen, daß der Glaube ohne Werke wirklungslos ist?
So wie der Leib tot ist ohne den Geist, so ist der Glaube tot ohne Werke.
Mit seinem Beispiel bringt Jakobus das Problem auf den Punkt. Glauben ohne erkennbare Folgen - Jakobus nennt das ``Werke'' (andere sagen ``Frucht'') - das kann es nicht geben; das kann kein wirklicher Glaube sein. Denn was hat es für einen Sinn, wenn ich an etwas oder an jemanden glaube und dies überhaupt keine Bedeutung für mein Verhalten hat?
Es ist ein weitverbreitetes und altes Mißverständnis, anzunehmen, daß Glauben dasselbe wäre wie etwas für wahr zu halten. Wir benutzen das Wort manchmal in diesem Sinne, wenn es um unbedeutende Dinge geht. Aber wenn ich jemandem sage: ``ich glaube an Dich'', dann will ich doch auch eine Art Vertrauensverhältnis beschreiben und dies muß sich doch auch auf mein Handeln auswirken - oder? Denn wenn es das nicht tut, dann ist mein Glaube wirklungslos.
Glauben im Sinne der Bibel, errettender Glauben, ist also mehr als nur zu sagen ``ich glaub' schon, daß es einen Gott gibt''. Glauben ist auch mehr als nur eine Erkenntnis von Wahrheiten, denn diese versetzt mich oft eher nur in Angst und Schrecken, wenn ich daraus keine Konsequenzen ziehe. Nein - Glauben an Gott muß Auswirkungen haben und einen Prozeß in Gang setzen, den die Bibel ``Heiligung'' nennt: ich erkenne, wie ich wirklich bin, nehme die Vergebung an, die Gott mir anbietet und möchte lernen, so zu leben, wie es Gott gefällt.
Natürlich werde ich dies nicht in wenigen Tagen erreicht haben, aber darauf kommt es ja auch nicht an. Es geht darum, daß ich anfange, die nötigen Schritte zu gehen, welche eine Veränderung meines Lebens bewirken. Und diese Schritte bestehen darin, die Ordnungen Gottes kennenzulernen und vor allem auch mich danach zu richten. Jakobus schreibt hierzu in Kapitel 1:19-27.
Seid nicht nur Hörer des Wortes allein, sondern tut, was es sagt. Denn sonst betrügt Ihr Euch selbst. Denn wer das Wort hört aber nicht tut, was es sagt, der ist wie ein Mann, der sein Gesicht in einem Spiegel betrachtet und dann weggeht und vergißt, was er gesehen hat. Wer aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit hineingeschaut hat and darin verbleibt - und das nicht als ein vergeßlicher Hörer, sondern als ein Täter des Wortes - der wird in seinem Handeln gesegnet sein.
Wenn jemand aber meint, er diene Gott, und dabei seine Zunge nicht im Zaum hält, der betrügt sich selbst und sein Gottesdienst ist wertlos. Ein reiner und fehlerloser Dienst vor Gott dem Vater besteht aber darin, sich um Waisen und Witwen in ihrer Trübsal zu kümmern und sich selbst von der Welt unbefleckt zu halten.
Schnell zum Hören und langsam zum Reden - das ist etwas, was viele von uns verlernt haben. Wir sind zu sehr mit eigenen Dingen beschäftigt, um wirklich noch ganz Ohr zu sein, wenn uns jemand etwas sagt. Wie oft haben wir uns bereits eine schnelle Antwort überlegt, bevor der andere überhaupt nur zuende geredet hat? Wie oft hören wir nur mit halbem Ohr zu und bekommen ein ganz falsches Bild von dem, was wirklich gesagt wurde? Kommunikationswissenschaftler könnten ein Lied davon singen.
Aber wir alle besitzen die Gabe zum Hören und Gott fordert uns auf, diese Gabe auch richtig zu nutzen: bereit sein zum Hinhören, nicht ins Wort fallen und auch nicht innerlich sofort widersprechen und uns ärgern, wenn uns eine Teilaussage nicht gefällt. Gerade wenn wir Gottes Wort hören - zum Beispiel auch in einer Predigt - ist das sehr wichtig.
Wir sollten stattdessen das Wort ganz bereitwillig in uns aufnehmen, darüber nachdenken und überlegen, welche Konsequenzen sich für uns konkret daraus ergeben. Denn nur Gottes Wort kann uns den Weg durchs Leben weisen. Es zeigt uns die natürlichen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen auf, innerhalb derer wir uns - wie zwischen den Leitplanken einer Autobahn - optimal und sicher bewegen können.
Aber beim Erkennen der Ordnungen Gottes dürfen wir nicht stehenbleiben. Nein - Gottes Wort will uns zum Handeln, zu einer Änderung unseres Verhaltens bewegen. Es bringt nichts, zu nicken und dann später doch wieder das Gegenteil zu tun. Wer das tut, ist wie jemand, der sein Haus an einer Küste auf Sand gebaut hat. Er weiß wie gefährlich das ist und richtet sich nicht danach und wenn der Sturm und die Wellen kommen, dann braucht er sich nicht zu wundern, wenn alles weggespült wird - er wußte es ja. Wer einer Predigt und einem Bibelwort nur zuhört und nicht danach handelt, der macht sich etwas vor, denn sein Glauben trägt ihn nicht. Wer sich nicht zum Gehorsam bewegen läßt, der wird geistlich auf der Stelle treten.
Gottes Wort ist wie ein Spiegel für uns. Ein Spiegel schmeichelt nicht, sondern zeigt uns die Wahrheit auf: wir erkennen, wie wir wirklich sind, wenn wir hineinschauen. Und wir sehen konkret, wo sich noch etwas ändern sollte. Wir können nun in den Spiegel hineinschauen und danach vergessen, was wir gesehen haben. Dann sieht es beim nächsten Mal ganz genauso aus und wir fühlen uns nach einer Weile ganz elend. So geht es vielen Christen, die sich an den Maßstäben der Bibel messen und daran ihr Versagen erkennen. Sie bekommen nur ein schlechtes Gewissen und werden zu den unfreiesten Menschen die ich kenne. Warum? Weil sie aus ihrer Erkenntnis keine Konsequenzen ziehen. Es ärgert sie nur, daß sie so viele Schwächen haben, aber sie tun nichts, um daran etwas zu ändern. Dabei liefert das Wort Gottes nicht nur die Diagnose, sondern auch die Therapie. Die Gebote Gottes sind zu unserem Besten aufgestellt und wir tun gut daran, uns nach ihnen zu richten. Wenn wir endlich einmal gehorsam werden, dann lösen sich viele unserer Probleme fast von selbst, ohne daß wir im voraus alle Zusammenhänge erkennen. Gottes Regel ist einfach: ``Folge meinen Geboten und Du wirst in deinem Handeln gesegnet sein''.
So seltsam das also für viele auf den ersten Blick erscheinen mag: Gottes Weg zur Freiheit ist ein verbindliches Leben nach seinen Ordnungen. Ein verbindliches Gemeindeleben, das uns vielleicht - zumindest, solange wir es nicht durchschaut haben - als Einengung erscheint, ist im Endeffekt der Weg in die Freiheit. Er gibt uns die Sicherheit und Geborgenheit, die wir für unser Leben so dringend benötigen. So hat Gott es uns versprochen und jeder, der sich danach richtet, kann das nur bestätigen.
Um zu verstehen, was dies nun konkret für unser Leben bedeutet, brauchen wir eigentlich nur die Bibel aufzuschlagen und uns an ihren Aussagen zu messen. Dann werden wir sehr schnell sehen, wo Handlungsbedarf ist und was wir zu tun haben. Dies ist im Endeffekt natürlich eine Lebenszeitaufgabe, denn wir werden immer wieder etwas Neues finden, was wir zuvor nicht verstanden haben. Ich will hier nur ein paar wenige Beispiele herausgreifen, von denen sich der eine oder die andere angesprochen fühlen mag.
Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, daß unser Pastor gerade eine neue Serie von Gemeindeabenden begonnen hat, die der inneren Erneuerung der Gemeinde dienen soll als Vorbereitung für das Jahr der Evangelisation. Dies ist eine großartige Chance, um neue Impulse zu erhalten.
Zeit, Energie und mehr aufbringen für andere, die unsere Hilfe benötigen, ist ungeheuer wichtig und wer die Augen aufhält, wird schnell sehen, wo er selbst gebraucht wird.
Sich selbst von der Welt unbefleckt zu halten, bedeutet vor allem, die Prioritäten richtig zu setzen und im Zweifel Gottes Ordnungen Vorrang gegenüber den Regeln dieser Gesellschaft zu geben. Das bedeutet nicht nur eine moralische Reinheit in Bereichen, die von unserer Gesellschaft längst toleriert werden, sondern auch darauf zu achten, daß bestimmte Denkweisen wie Karrieresucht, Materialismus, Anspruchsdenken, Gleichgültigkeit, Respektlosigkeit und ähnliche uns nicht beherrschen. Man muß kein Schwein sein in dieser Welt um ein glückliches Leben führen zu können.
Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen, aber hiermit soll es erst einmal genug sein. Denkt einmal darüber nach und wartet nicht so lange mit dem Handeln.
Es ist nicht immer leicht, das zu tun, was man aus der Bibel für richtig erkannt hat und man kann immer wieder Gründe finden, es nicht zu tun. Wir schrecken davor zurück, Gottes Weg zu gehen, wenn er nicht in unsere Erfahrungswelt paßt. ``Ja aber ... in meinem Fall sieht das ganz anders aus'' - das ist das erste, was ich immer wieder höre, wenn ich in einem Gespräch einen biblischen Lösungsvorschlag mache, und ich merke, daß ich das selbst auch versuche, wenn mir Gottes Weg unbequem erscheint.
Nur ist dieses ``Aber'' ganz und gar nicht der richtige Weg, denn es bringt im Endeffekt nur zum Ausdruck, daß wir nicht handeln wollen. Warum widersprechen wir Gott? Sind wir klüger als er? Meinen wir, er wüsste nicht, wie es in unserem Fall aussieht? Warum nehmen wir uns nicht einfach einmal vor, zu handeln, anstatt ständig nur Widerworte zu geben? Unsere Antwort auf einen biblischen Lösungsweg sollte ``ja amen!'' sein anstatt ``ja aber!''. Dann können wir immer noch darüber reden, wo Hindernisse liegen und wie wir sie überwinden. Mit der grundsätzlichen Haltung ``JA, ich will Gottes Weg gehen'' geht das viel leichter.
Es ist wie bei einer Prüfung: Irgendwann einmal muß ich da durch, auch wenn dies nicht unbedingt angenehm ist. Einen Abschluß kann ich nur bekommen, wenn ich mich dieser Prüfung unterziehe. Weiche ich ihr dagegen aus, so werde ich keinerlei Fortschritte machen. Genauso ist es mit unserem Glaubensleben: Fortschritte und Wachstum gibt es nur, wenn ich ein bekanntes Problem auf Gottes Weise angehe. Solange ich es unbearbeitet lasse, werde ich immer wieder vor demselben Problem stehen und komme keinen Schritt weiter.
Wir betrügen uns selbst, wenn wir nur zuhören und nicht handeln, denn dann kann das Wort Gottes keine Wirkung zeigen. Wie wollen wir denn Vertrauen in Gott bekommen, wenn wir nicht einfach einmal tun, was er von uns erwartet? Erst dann können wir doch erleben, daß Gottes Versprechen wirklich auch für uns gelten und nicht nur fü die anderen.
Laßt uns also lernen, Täter des Wortes zu werden. Laßt uns lernen einfach einmal das zu tun, was Gott uns sagt, und zwar sofort und nicht erst irgendwann später. Laßt uns Gott auf die Probe stellen und sehen, ob er uns nicht wirklich - wie er es versprochen hat - in unserem Handeln segnet. Und ich bin sicher, daß wir auf diese Art zu einem Leben finden mit erheblich weniger Sorgen und mit einer Geborgenheit und Sicherheit, die stärker trägt als alles andere.